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DIE 120 MEILEN PRINZESSIN oder VOM ADAC VERLASSEN

Meine Freundin Claudia Meine Wenigkeit Ein Bestattungswagen alleine reicht ja nicht, und manche Gelegenheiten sollte frau sich auch nicht entgehen lassen, und so sind meine Freundin Claudia und ich beide in Merry Old England gelandet. Eigentlich ist die ganze Geschichte ja recht simpel: Ich hatte die Gelegnheit, eine Austin Princess (jaja, ich bin für diese Auswahl schon geschimpft worden), natürlich als Leichenwagen, günstig in England zu bekommen. Ein britischer Bestatter sieht grundverschieden zu allem aus, was bei uns so üblicherweise herumfährt und ist damit schon mal was besonderes, und damit auch ein wenig wertvoller als in seinem Heimatland. Der ausgehandelte Preis hat auch gestimmt, es gibt ein paar Tage Kurzurlaub in England aus dem man mit einer schönen und seltenen Leiche heimkommt, was will frau mehr?

Zum Beispiel die Absicherung, auch nach Hause zu kommen, und nicht, im Falle eines Falles, irgendwo liegen zu bleiben; das gute Stück um das es hier geht ist ja nun schon mehr als 25 Jahre alt und da können manche Überraschungen auftreten. Nun ist Eure Leichenwagenmistress ja nicht ganz dumm und zudem seit 15 Jahren Mitglied im ADAC (ogottogottogott), also erstmal dort angerufen und nachgefragt: Gilt mein teuer bezahlter Schutzbrief auch, wenn ich mit einem im Ausland gekauften Auto unterwegs liegenbleiben würde? Aber natürlich, kam die beruhigende Antwort, keine Sorge, wenn wirklich was sein sollte bringen wir Sie und Ihr Auto nach Hause. Nach Hause bedeutet in diesem Falle: Deutschland. München, um genau zu sein. Prima denke ich, kann ja nichts schiefgehen. Jaja, berühmte letzte Worte.

Die Prinzessin Also steigen Claudia und ich ins Flugzeug, ab nach Sheffield, Auto anschauen. Natürlich, wie kann es sein, ich kaufe meine Princess. Zusammen mit dem Flug und der Fähre (ist ja Nebensaison) immer noch ein klasse Deal. Auto angeschaut, für gut befunden. Ein wenig Rost hier und da, aber nichts gravierendes, vor allem der Aufbau, der ja nun speziell ist, ist ganz und fast komplett rostfrei, alle Scheiben sind ganz und die Inneneinrichtung mit den ganzen Beschlägen ist komplett und in prima Zustand. Ein Türscharnier muß nachgestellt werden, ein Lichtschalter fehlt und solche Kleinigkeiten, aber das wichtige ist da und komplett. Auch der Motor sieht fürs Alter recht gut aus, der Kühler ist dicht, Servolenkung funktioniert auch ohne klagende Geräusche, Auspuff ist neu, was will frau mehr? Zu alledem hat das Teil einen nagelneuen MOT (equivalent zu unserem TÜV).

Das Gasthaus neben dem Friedhof Also schnell eine Versicherung besorgt (naja, "schnell") und eine "tax disc", also eine Zulassung. Wußtet Ihr daß man in England sein Auto bei der Post zuläßt? Jetzt weiß ich es....
Nachdem also soweit alles geklärt, die Princess auf mich versichert und zugelassen ist (es lebe die Erfindung der Kreditkarte), verbringen wir eine nette Nacht im Gasthaus direkt neben dem Friedhof. Ihr könnt Euch vorstellen welches Hallo die Princess auf dem Parkplatz hervorgerufen hat! Am nächsten Tag gabs noch einen kleinen Shoppingtrip zum örtlichen Einkaufszentrum, das war auch ganz gut zum eingewöhnen an das doch etwas größere Auto. Der Motor schnurrt wie eine Katze (es geht doch nichts über das Geräusch eines Vergasermotors) und die Federung würde einem Ozeandampfer auch gut zu Gesicht stehen. Ich bin begeistert.

Am nächsten Morgen geht es dann endgültig los. Das ganze Gepäck paßt in den unteren Laderaum; eigentlich ist die Princess ein ideales Urlaubsfahrzeug. Dank dem doppelten Deck hinten sieht sie selbst vollgeladen leer aus! Ab auf die Autobahn, das Wetter meint es gut mit uns und so schnurren wir ganz gemütlich mit 60 Meilen auf der M1 in Richtung Süden. Die Fähre ist gebucht, wir sind gut in der Zeit, just take it easy. Leider, ja leider kommen wir genau 120 Meilen weit. In Sichtweite der Raststätte bei der wir sowieso halten wollten (das muß man sich mal vorstellen!), gibt der Motor ganz ohne jede Vorwarnung ein lautes "brrrrrr" von sich und bleibt stehen. Toll. Wir sind begeistert.

So war das nicht geplant Naja, halb so schlimm, war da nicht noch der ADAC? Also schnell vorgelaufen zur Raststätte, den AA angerufen, und prompt kam auch ein großer Lastwagen der uns mitsamt Princess erstmal von der Autobahn weggebracht hat; leider nicht nach Dover, sondern auf den Parkplatz dieser Abschleppfirma, die, wie kann es anders sein, ziemlich genau in der Mitte von Nirgendwo ist. Zum Glück habe ich ja mein Handy dabei, und meine ADAC Unterlagen, also mal eben schnell angerufen und erklärt was passiert ist. Ich hab ja noch die netten Worte des ADAC Menschen im Ohr: "Natürlich bringen wir in so einem Fall Sie und Ihr Auto nach Hause".
Was ich dann allerdings im Ohr habe, hört sich geringfügig anders an: "Natürlich bringen wir Ihr Auto nicht nach Hause, wo kämen wir denn da hin? Warum nicht? Ist doch viel zu teuer, das lohnt doch bei einem 25 Jahre alten Fahrzeug nicht. Das ist doch bestimmt ein Totalschaden." Nun bin ich nicht unbedingt die dümmste Autoexpertin auf Gottes Erde, aber so eine Ferndiagnose zu stellen, ohne auch nur zu wissen was es für ein Fahrzeug ist um das es sich handelt, sowas könnte ich wirklich gerne. Hut ab.
Ich denke mir, zum Glück habe ich ja die ADAC Unterlagen dabei, in denen klipp und klar was ganz was anderes drinsteht und versuche, mit der Dame in München zu argumentieren. Leider vergesse ich dabei, daß die natürlich genau wissen, daß man selbst ziemlich hilflos mitten in der Pampa sitzt, dort niemand kennt, geschweige denn eine Werkstatt die sich mit dem Auto auch noch auskennt. Kurz: Man ist ausgeliefert, gestrandet. Und so ist das einzige das ich mit der ganzen Telefoniererei erziele eine hohe Telefonrechnung für mein Handy.

Da war ich noch guter Hoffnung Natürlich hilft der ADAC auch nicht, eine passende Werkstatt für meine Princess aufzutreiben. Daß was anderes versprochen wird wundert mich ja nun nicht mehr. Also irgendwo ein Telefonbuch aufgetrieben und in der Nähe eine Werkstatt lokalisiert, zu der ich mein neues Auto am nächsten Montag zum ansehen bringen lassen kann. Angeblich soll die Werkstatt zwar gut, aber teuer sein, aber irgendwo muß ich meine Princess ja hinbringen. Daheim hätte ich zwar eine Werkstatt, könnte das Auto in Ruhe anschauen und auch stehen lassen bis ich Ersatzteile finde, aber leider interessiert das niemanden, den ADAC schon gar nicht. Der Motor läuft inzwischen wieder, macht aber komische Geräusche, vermutlich ein Lagerschaden, aber was genaues weiß man halt erst, wenn man ihn mal aufgemacht hat. Die ADAC Experten können aber vermutlich aus 1000km Entfernung beurteilen was los ist....

Zum Schluß bekommen wir doch noch über den AA einen Mietwagen organisiert (zu dem wir aber auch erst mit einem Taxi fahren müssen!), mit dem wir wieder zurück zum Flughafen fahren dürfen; leider müssen sowohl Claudia als auch ich am nächsten Montag wieder arbeiten. Zum Glück haben wir Rückflugtickets, wer weiß was das sonst für eine Odyssee geworden wäre.

Zuhause angekommen wird erstmal telefoniert. Ich bin ja nun in der beneidenswerten Situation, mich um ein kaputtes Auto kümmern zu dürfen, das 1000 km von mir in einer mir unbekannten Werkstatt steht. Die dann meint, alleine für das Anschauen verlangen sie 400 Pfund. Ein bißchen viel dafür, daß wahrscheinlich nicht mehr als ein Lager hin ist. Ich versuche, als billigere Lösung einen Ersatzmotor zu finden, leider nicht einfach. Nach einer Woche habe ich einen (Chris sei es gedankt), leider stellt sich heraus, daß dieser nicht mehr tut.
Und weil's grad so schön ist, ruft die Werkstatt an und meint, ich möchte doch bitteschön dafür sorgen, das Auto weiterzubewegen. Nur, wohin? Ich arrangiere mit dem Verkäufer, das Auto nach Sheffield zurückzubringen, dort findet sich jemand der sich darum kümmern könnte; ein Freund von ihm würde das Auto in seiner Freizeit reparieren. Nur, wie nach Sheffield bringen? Der ADAC in seiner grenzenlosen Spendierwut finanziert bis zu 300 DM Abschleppkosten (der Transport nach Deutschland ist ausgeschlossen wie man mir mehrfach und mit Nachdruck bestätigt hat), laut ADAC kostet der Transport nach Sheffield knapp 1100 DM. Komisch, ich habe das ganze dann für 450 Mark organisiert; per Telefon von Deutschland aus. Ich dachte immer, der ADAC hätte seine guten Verbindungen. Langsam frage ich mich wo die Mitgliedsbeiträge bleiben.

Inzwischen also arbeitet der gute Mann in Sheffield am Auto. Langsam, in seiner Freizeit. Immerhin hab ich jemand gefunden der sich darum kümmert. Während der ganzen Zeit läuft natürlich die Versicherung weiter, und ich habe das Auto natürlich auch nicht hier in Deutschland, wie ich es eigentlich wollte. Mittlerweile, im Juli, ist das Auto fertig zum abholen; mitten in der Hauptreisezeit; daß die Fähren geringfügig teurer geworden sind, wenn man überhaupt noch einen Platz bekommt, brauche ich wohl kaum zu erwähnen.
Letztendlich hat mich die ganze Geschichte Zeit, Nerven und einiges an Geld gekostet. Geld, das ich nicht hätte ausgeben müssen, wenn sich der ADAC an seine eigenen Regeln gehalten hätte. Und damit niemand sagt ich würde hier Unsinn erzählen, hier zum Nachlesen was die ADAC-eigenen Bedingungen sagen, und was geschehen ist. Denke sich bitte jeder seinen eigenen Teil.

Und die Quintessenz? Überlegt Euch selber was Ihr davon haltet; für mich stellt sich die Frage, ob die Mitgliedschaft im ADAC noch lohnt.
Die Geschichte ist noch nicht zuende; demnächst fahre ich nach England um die Prinzessin heimzubringen; das ist dann allerdings Stoff für eine neue Story.

Alle Bilder hat Claudia gemacht. Danke Claudia, nicht nur für die Fotos!

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Letzter Update: 02 Januar 2011