DIE 7. MÖBEL TEGELER US NATIONALS IN TREBBIN, JUNI 2000
Es fing alles ganz harmlos an, mit einem Telefonanruf mitten am hellichten Tag. Irgendjemand hatte sich die Mühe gemacht und meine Handynummer ausgegraben. "Wir brauchen Sie" war die Message. Es stellte sich heraus, daß der "Wir" eine PR-Agentur eines Möbelhauses in der Nähe von Berlin war; ein etwas größeres Möbelhaus, groß genug daß sie jährlich eines der größten US-Car Treffen in Deutschland veranstalten. Platz genug haben sie ja nun auf ihrem Gelände, und autoverliebt sind sie auch noch, die Möbel Tegelers. Und wie jedes Jahr gibts eine Pressekonferenz, um den Lokalmedien beizeiten nahezulegen, was da in den nächsten Tagen für ein toller Event in Trebbin bei Berlin abläuft.
Und wie jedes Jahr steht die Pressekonferenz unter einem bestimmten Motto,
für das Jahr 2000 hieß es: "Leichenwagen". Wow. Es stellte sich
heraus daß sie schon zwei Cadillac (natürlich Cadillac, denn wir
reden ja von einem US-Car Treffen) Bestattungswagen organisiert hatten; fehlte
ihnen noch die Nummer Drei, und der sollte weiß sein. Und meine kleine
Hope war die einzige weiße Leiche, die sie in Deutschland finden konnten.
Also sollte ich kommen. Mit Hope. Nach Berlin. Wer kann da schon nein sagen?
Ich bestimmt nicht....
Also wurde Chrom poliert, die Scheiben geputzt und das Auto reisefertig gemacht; sind ja immerhin 600 km die es zurückzulegen gilt. Kleinere Schwierigkeiten wie das noch fehlende Oldtimerkennzeichen wurden am Abfahrtag noch eben schnell erledigt; der TÜV war keine Schwierigkeit; die netten Jungs in Unterhaching haben das Auto bestaunt und gleich für die Mitarbeiterzeitung fotografiert. Interessant wurden dann die Formalitäten der Zulassungsstelle. Früher nannte man das "Buchbinder Wanninger", heute nennt man es "Behördengang". Aber letztendlich klappte es dann doch noch, und kaum 5 Stunden nachdem wir Hope in der Früh aus dem Schlaf geweckt hatten, hatten wir auch schon unsere Oldtimernummer.
Die Fahrt nach Berlin selbst verlief ohne Zwischenfälle, wenn man von
den vielen verrenkten Hälsen absieht, die sich so manche Leute auf der
Autobahn zugezogen haben müssen. Nur gut daß mein Auto nicht
auffällt auf Deutschlands Straßen!
In Trebbin angekommen steht als erstes das ausgiebige Testen des
Fahrverhaltens auf Kopfsteinpflaster auf dem Programm, gefolgt von einer
kleineren Autowäsche. Man sollte meinen, daß sich nach 6 Jahren
US-Car Treffen in diesem Ort die Ureinwohner an den Anblick von amerikanischen
Autos gewöhnt haben, aber irgendwie hatten sie alle noch verdrehte Hälse,
wohin wir auch kamen. Nur im Hotel hat keiner geschaut, naja, da standen
auch so einige sehr passable Lowriders aus Schweden. Achja, die Schweden,
ohne sie wäre der ganze Event erstens nur halb so lustig gewesen und
zweitens qualitativ auch deutlich abgesackt. Grüße an dieser Stelle an
unsere "Vikings"!
Mangels Feier am Mittwoch abend sind wir Donnerstags sogar pünktlich aus
den Federn gekommen um mit einem recht merkwürdigen Konvoi nach Berlin
Friedrichsstraße, zum Planet Hollywood zu fahren. Dort gings dann
wirklich heiß her; drei Cadillac Leichenwagen, jede Menge Lowrider und
Hot Rods, und natürlich die Pressekonferenz. Das Medieninteresse war riesig,
natürlich war der Schwerpunkt "Leichenwagen" und "Bestattungen". Meine
Komplimente an dieser Stelle an Dr. Lange von Grieneisen Bestattungen in Berlin.
Draußen vor der Tür ging derweil die Show so richtig los, mit einem
Bodypaint Model und sonstigen Reizen für die Medienwelt. Auch yours truly
durfte oft ins Mikrophon husten und ihre Meinung kundtun:
Frage: "Fährst Du einen Leichenwagen weil es besonders makaber und
gruslig ist?" Antwort: "Nein, Leichenwagen sind Oldtimer wie andere auch, nur
eben spezielle Fahrzeuge. Es gibt so wenige davon und jedes ist mehr oder
weniger ein Einzelstück. Damit ist jeder Bestattungswagen etwas ganz besonderes".
Frage: "Macht es Dir nicht Angst in einem Auto zu fahren das schon so
viele Tote transportiert hat?" Antwort: "Hier in Berlin sehe ich immer
noch Einschußlöcher in den Hauswänden und Kriegsschäden.
Wahrscheinlich sind genau hier, wo wir jetzt stehen, Soldaten und Zivilisten
gestorben, und in ganz Berlin müssen zigtausende im Krieg gefallen sein,
deren Knochen immer noch im Boden liegen. Macht es Dir nicht Angst in so
einer Stadt zu leben?"
Dank Regen ging der restliche Donnerstag recht gemütlich mit einem kleinen Cruise durch Berlin zuende; am Abend kam dann endlich der (von manchen) ersehnte Biertest zustande. Natürlich war dann der nächste Morgen ein wenig später geworden, aber für einen interessanten Rundgang durch Berlin hat es doch gereicht; wenn auch Hans' Straßenplanlesekünste "leicht" verbesserungswürdig waren...
Samstag kam dann richtig die Action; natürlich, die wirklichen "Ragnars",
die waren am Samstag vormittag schon sehr fröhlich, aber auch das gehört
zum Treffen dazu. Dafür gabs sonst viele viele Autos, viele Interessenten die
völlig überrascht waren, daß ein Leichenwagen tatsächlich sehr
schön sein kann und nicht nur aus alten Skeletten und Spinnweben besteht.
Da gibts noch viel zu tun!
Dafür paßt sehr viel in einen Cadillac Leichenwagen hinein, zur Not
auch einige sehr fröhliche Männer; soll sich hier mal niemand über
fehlende Auswahl beklagen :) Die Stimmung war jedenfalls grandios, es gab sehr viel
zu sehen, viel zu trinken (dumm wenn man die Fahrerin ist) und zu feiern. Achja, und
Autos gabs auch noch, jede Menge sogar, wenn man sich mal von seiner Bierflasche
getrennt und seine Füße benutzt hat. Abends dann noch diverse Lifebands,
die eigentlich fast alle sehr gut waren, wenn man mal davon absieht daß sie halt
Rockabilly gespielt haben. Nach gothic zu fragen wäre wohl etwas gewagt gewesen,
denke ich....
Sonntag war dann meine kleine Hope auf der Bühne. Nicht daß es eine Kategorie für Sonderfahrzeuge gegeben hätte, aber immerhin, wir beide standen "da oben", haben uns ganz stolz präsentiert, und sogar Applaus bekommen. Ich hoffe, der war nicht weil dann wieder einer der 500 Vans auf die Bühne gerollt kam.... Naja, Geschmäcker sind halt nun mal verschieden. Kurz vor der Abfahrt hat mich dann noch ein Team des ORB Fernsehens ausgestöbert um ein längeres Interview zu machen; es war bestimmt nicht das Bier, aber meine Stimme hatte sich zu dem Zeitpunkt schon längst verabschiedet; falls jemand die Sendung mal sehen sollte, ich klinge also nicht immer so. Aber es war nett, und sie haben sich sogar wirklich für das Auto interessiert und viele Detailaufnahmen gemacht; vielleicht überleben manche davon sogar den Cutter.....
Die Rückreise war dann wieder relativ ereignislos, wenn man von den üblichen
verdrehten Hälsen absieht und vergißt, daß wir, natürlich, jeden
Stau in Ostdeutschland mitgenommen haben den es nur gab. Dennoch, was ein echter
Cadillac ist, übersteht auch das und zum Schluß gabs ja dann doch noch den
üblichen Autobahncruise mit 75 mph nach München. Cadillac rules! Daß
ich dann zu Hause einen Strafzettel wegen angeblich behindernden Parkens (mit jeweils
zwei Meter Abstand nach vorne und hinten!) bekommen habe, zeigt nur, daß ein
weißer Cadillac Bestattungswagen sogar dem örtlichen
Parküberwachungsexekutionsorgan auffällt. Und das will was heißen und
soll mir den Spaß durchaus wert sein.
Zurück zum Geschichten-Inhaltsverzeichnis
Letzter Update: 02 Januar 2011