Spiel mir das Lied vom Tod
Ein Horrorszenario direkt aus dem Leben von Krazee Kar Kustomizin (Wolfi & Ingo)
Das Telefon klingelte: "Hallo, Ingo, Isch binnet! Isch habben D-Rekord reinbekommen. Dat is bestimmt wat für Euch, dat is nämlsich ne Leische. Willze Dir dat Dingen nisch mal ankucken kommen?"
Schön, wenn Kumpels an uns denken. So so, da hat der Ralf aus Zülpich einen Bestatter aufgegabelt. Aber ich kann doch nicht noch einen kaufen! Wohin denn mit den ganzen Dingern? (Eine Halle hatten wir damals noch nicht). Naja, aber den Ralf hast Du ja auch schon monatelang nicht mehr gesehen. Egal jetzt! Wolfi angerufen: "Hallo, Kumpel! Rate mal, was der Ralf mir eben angeboten hat..." Wolfi: "Was? Oh, nein, nicht schon wieder! Du hast den Rappold, Du hast den C-Rekord Bestatter und an beiden ist noch so viel Arbeit. Du willst doch jetzt nicht wirklich auch noch...?"
Am nächsten Abend fuhren wir nach Zülpich, Ralf und Michaela besuchen. Und halt eben auch mal nach dem Bestatter schauen... Das Krazee-Kar-Kustomizin´-Team war wieder unterwegs.
Ralf & Michaela hatten wir auf der Teilesuche für meinen C-Rekord kennengelernt. Schon unser erster Besuch, ursprünglich nur zum anonymen Teile-Abholen gedacht, dauerte bis spät in die Nacht. Seitdem wurden die Kaffeetrink-Nächte in Zülpich zur Tradition.
Wolfi hatte den Diesel-Omega dabei, also war eine billige Fahrt garantiert. Logisch, daß Ralf uns mit diesem Wagen zunächst nicht erkannte. "Wat habt´er denn da widder für ´en Teil?" Stimmt, wir sind schon mit den verschiedensten Autos aus unserem Fuhrpark nach Zülpich gebraten, aber den hatten wir noch nie mit.
"Hallo, Ihr zwei. Wo ist das gute Stück?" Ralf führte uns auf seinen Hof. Wolfi und ich blickten uns verstört an: "Oh, Gott! Ein Welsch-Aufbau! Bloß nicht wieder so´n Teil mit werksseitig 250 Kilo Spachtelmasse!" Die Vorahnungen, die ich damals noch nicht genau erklären konnte, haben sich über die Jahre als richtig erwiesen. Alle Welsch-Autos, die wir inzwischen hatten, waren großteilig von Hand getöpfert, waren recht phantasievoll aber systemlos mal geschraubt oder genietet (Sargschiene: 2 Kreuzschrauben, 3 Nieten, 5 Schlitzschrauben und so...), hatten Rost an den unmöglichsten Stellen und waren zumindest 1 x am Aufbau gerissen. (Zur Ehrenrettung muß ich sagen: es handelt sich um 30 Jahre alte Autos! Ich denke doch, daß Welsch den Qualitätsstandard inzwischen gesteigert hat..!)
Ralf kannte uns zwar schon lange genug, aber unsere Untersuchungskriterien fand er wohl eher seltsam... Einmal im Dunkeln ums Auto gelaufen, Heckklappe auf, ´rein in den Sargraum! "Kuck mal! Der Schlitten ist noch drin! Und neben den Schienen ist viel Platz. Und die Trennwand hat ´ne Scheibe! Cool! Die Radkästen könnte man verkleiden und das Furnier überarbeiten! Oder wir machen da DC-Fix drauf. Schade, daß er keine Palmwedel hat! Aber ´ne geteilte Klappe hat er. Geil!" Ralf sah sich zwei hoffnungslosen Freaks ausgeliefert, ließ uns aber gewähren. Irgendwann würden wir schon wieder ´rauskommen.
Michaela begann, uns dezent mit frisch gekochtem Kaffee zu locken - ein schlagendes Argument, das wußte sie. Also, wieder ´raus aus dem Bestatter. Stilecht: Michaela´s Kaffee weckt in der Tat Tote auf! Ich bin sicher, es war nicht das erste Mal, daß sie damit Menschen aus dem Laderaum eines Leichenwagens in diese Welt zurückholte ("Stell einen Löffel in die Tasse, zähl bis fünf und dann fällt er erst um - wenn er nicht vorher wieder ´rausgesprungen ist!").
Nach der ersten Euphorie ging´s dann um den eigentlichen Rekord unter dem Aufbau: "Zwoendreissischtausend jelaufen, direkt vom Bestatter jeholt, Lenkradschaltung, en bißchen Rost an den Endspitzen un´ am Unterboden un´ der Lack is nisch mehr so toll. Aber isch will ja auch nisch vill dafür haben. Dann jebt´er mir 700 Mack und die Sache is erledischt."
Nein! Auf gar keinen Fall! Nur über meine Leiche (äh?!?). Aber, wie mache ich das dem Ralf jetzt klar? Erst recht, wo wir doch vom Sargraum so begeistert waren? "Naja, er ist nicht schlecht... Wirklich nicht. Aber, um ehrlich zu sein kann ich mir im Moment noch so eine Kiste..." Wolfi fiel mir ins Wort: "Ich nehm ihn!"
Da kenne ich den Wolfi schon so viele Jahre, glaube, daß ich ihn echt gut einschätzen kann und rechne mit seiner Hilfe, den Ralf zu überzeugen, daß wir dieses Auto heute mal nicht kaufen. UND DANN KOMMT ER MIR SO! Ich hätte Wolfi mit Sicherheit nicht so ungläubig angesehen, wenn er mir verraten hätte "Weißt Du was? Ich bin schwanger! Und zwar von einem Meerschweinchen."
Nein, das hier durfte nicht wahr sein. Das war doch wohl hoffentlich ein Film!?! War´s nicht. Als ich wieder zu mir kam ("Michaela, gib mir noch ein Täßchen..."), waren Ralf und Wolfi auf den Speicher verschwunden, um alle möglichen Rekord-D-Ersatzteile zusammenzusuchen, die es noch "umsonz mit dabei" gab. "Weil Ihr et seid!" Radkäppchen, Teppich, zwei schwarze Sitze - alles ´rein! "Jungs, bis morjen!"
Es war spät, wir fuhren in Wolfi´s Omega nach Hause. Stille! Ich hatte ja schon absichtlich keine rote Nummer mitgenommen, damit auch ja nix schiefgehen kann. An den Gedanken "Wolfi hat jetzt ´n Bestatter" mußte ich mich doch erst einmal gewöhnen. Wolfi offenbar auch: "Wenn wir den Wagen morgen holen, habe ich mich vielleicht auch damit abgefunden, daß ICH ihn gekauft habe." Daß sich auch der Familien- und Bekanntenkreis künftig damit abzufinden hatte, war uns an diesem Abend noch ziemlich egal. Ich ging eigentlich sowieso davon aus, daß man diese Anschaffung auf meinen schlechten (?) Einfluß zurückführt ("Jetzt fängt der schon genauso an! Noch so ein Verstrahlter! Könnt Ihr Euch keine normalen Autos kaufen?")
Die Abholung unseres Neuzuganges am nächsten Tag war eine Horrortour! Klar, wer erst 32.000 km auf der Uhr hat, fühlt sich auf der Autobahn nur sehr unwohl. Kennt er ja gar nicht, mehr als 10 km an einem Tag gefahren zu werden! Der Wind pfiff durch die Karosse, die Innenbeleuchtung gab den Geist auf und die Hinterachse spielte das Lied vom Tod! Die Diagonalreifen waren wohl noch die ersten, die Bremsen waren nur noch fragmentarisch erhalten und die Stoßdämpfer waren im Arsch! (Wovon eigentlich, bei der Laufleistung??? Hat der in einem Erdbebengebiet geparkt? Oder haben die permanent Sarg-Einladen - Sarg-Ausladen gespielt?) Ich war ganz froh, daß ich nicht in diesem Auto saß, sondern im Golf meiner Mutter, Wolfi folgend.
Am nächsten Tag folgte die Bestandsaufnahme: was müssen wir machen, damit er für das Treffen in Hagen fit ist? Oh, Gott, und WAS wir alles machen müssen! Und WANN denn überhaupt? Hagen ist in drei Wochen und Wolfi die meiste Zeit beim Bund! Wehrdienst ableisten! Und wenn die Pflicht erledigt ist, kommt ja noch die Kür: was könnte man denn noch alles machen, wenn Zeit dazu ist?
Kurz: jede freie Minute an Wochenenden ging für die Kiste drauf. Während der Woche habe ich mit Tina & Tini (unsere "Krazee Kar Kustomizin´ Kreative Konsultin´ Krew") bis nachts an dem Ding gebastelt. Sargraumausbau, Spachteln (Ja, noch mehr!), lackieren (Sprühdose, muß erst mal reichen), Technik inspizieren, Stoßstangen tauschen, Heckklappe instandsetzen, Reifen/ Felgen wechseln, die blaue Innenausstattung gegen eine schwarze tauschen und ich weiß nicht, was noch alles war. Nebenbei habe ich mich dann um MEINEN Bestatter gekümmert, der auch noch nicht ganz fertig war.
Es war soweit: Bestattungswagentreffen in Hagen. Morgen Abend geht´s los. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie haben wir den Wagen doch noch einigermaßen schön hinbekommen. Ich montierte das Kurzzeitkennzeichen und machte die erste Fahrt nach zwei Wochen Standzeit auf Wolfi´s Parkplatz. Zwischendurch hatten wir ihn mangels Zulassung nur geschleppt (mit meinem C-Kadett Caravan!!! David zieht Goliath!) Tanken, kleine Runde durch die Stadt und ab ins Cadillac Museum, wo ich arbeite: Saubermachen! Ich wendete auf dem Museumsvorhof, trat die Bremse - nix! Ungebremst raste die Kiste im Rückwärtsgang auf den 1975er Lincoln unseres Kunden Thomas S. zu! Gottseidank klappte die Handbremse und ich kam 20cm vor dem Lincoln zum stehen! War nicht einfach, Herrn S. das Gefühl zu geben, die ganze Aktion seie geplant gewesen und nur als kleiner Scherz zu verstehen... Mit Schweißperlen auf der Stirn lächelte ich ihn gequält-triumphierend an: "Na, da haben Sie aber einen Schreck bekommen, was...?"
So, da hatten wir also ein neues Problem, was wir jetzt gar nicht gebrauchen konnten: wo denn samstags mittags so schnell einen Radbremszylinder herkriegen und einbauen, wo einem ja so schon die Zeit wegläuft? Ralf ("muß isch ma kucken. Isch mein, isch hätte da noch...") hatte keinen da, Kumpels aus unserer Gegend konnten auch nicht direkt helfen. Aber egal, morgen war Hagen angesagt und dann gehen die Uhren natürlich etwas anders.
Ab jetzt: verstärkte Arbeitsteilung! Wolfi und ich kümmerten uns um die Autos (meiner war ja auch noch nicht fertig), Tina & Tini waren abgestellt für Verpflegung, Einkauf, Übernachtungsorganisation und Logistik. Sie hatten sich im Fuhrpark bereits verewigt: aus schwarzem Stoff, goldener Seidenmalfarbe und viel Konzentration hatten sie einen Dachhimmel mit Kreuz und lateinischen Bibelsprüchen sowie schwarze Standarten mit goldenen Kreuzen für unsere beiden Autos gefertigt und die Opels damit ausstaffiert. Wolfi´s Mutter stand dabei mit Rat & Tat zur Seite.
Tina´s Fiesta hatte seinen Anlasser drangegeben, also war sie Freitagabend mit meinem Kadett unterwegs. Am nächsten Morgen Tini abgeholt, und ab zum Einkaufen - wenn der Kadett denn angesprungen wäre! Tina´s Anruf störte uns mitten in der Arbeit. Also gut: Ich habe mir dann Wolfi´s Ascona geschnappt: ab zu Tina und Tini und die Autos getauscht. Mit dem Kadett (ebenfalls Anlasser breit! Anschieben oder mit einem Hämmerchen draufkloppen!) bin ich dann mit überhöhter Geschwindigkeit zurück zu Wolfi und wir überlegten, was man denn jetzt aus den eigenen Reihen zweckentfremden könnte. Das Autotauschen, um zumindest die beiden Mädels wieder fahrbereit zu kriegen, hatte bereits wieder eine Dreiviertelstunde in Anspruch genommen. Die Zeit arbeitete langsam verdammt gegen uns. Der einzige fahrbereite, den wir jetzt noch hatten, war mein Rappold-Rekord. Nun war guter Rat teuer! Opel ist bekanntlich wie Lego, also mußte irgendwo was Passendes zu finden sein. Von Wolfi´s B-Ascona (Originalzustand, 32.000 km) konnten wir nix ausbauen, schließlich muß der am Montag wieder fahrbereit sein und - davon abgesehen - waren Tina und Tini damit unterwegs. Schlachtautos waren auch nirgendwo vorhanden, daher konnte es nur einen geben: MEINEN C-KADETT! Versuchen kann man es ja. Ein Hecktriebler ist es auch und selbst das Baujahr ist ähnlich. Execute! Kaum daß Wolfi diesen Einfall hatte ("Eine Idee hab´ ich ja noch, aber sie wird Dir bestimmt nicht gefallen..."), begannen wir, meinen Zweitwagen zu zerpflücken.
Aus anderweitig zusammengeliehenen Teilen von einem Ascona und meinem Kadett hat Wolfi dann ein funktionierendes Bremssystem gebaut, neue Bremsleitungen konstruiert, sie verlegt, mit meiner Hilfe entlüftet und abgestimmt. Unter Hochdruck sind Menschen zu Leistungen fähig, die sie sich ansonsten nie zutrauen würden!!! Und mein Kadett bezahlte seine Organspende mit der vollständigen Fahrbereitschaft (Goliath hatte gewonnen!).
Der Freitag war bereits sehr lang gewesen, der Samstag wurde es ebenfalls! Doch bereits um 21.00 Uhr am Samstagabend waren wir reisefertig! Jetzt nur noch schnell zur Tanke und weg! Schön wärs gewesen. Beim Tanken stellte sich heraus, daß der Welsch das gute Säftchen gar nicht so recht haben wollte - Tankzufuhr verstopft!!! Mit einer Engelsgeduld gab Wolfi seinem Auto 15 Minuten lang das Fläschchen mit leckerem Benzin (ca. 2 Liter pro Minute, weil die Brühe keine Anstalten machte, vernünftig ins Innere zu fließen). Und das am Samstagabend, mitten in der Rush-hour mit Publikumsverkehr wie auf dem Kölner Hauptbahnhof! Nach diesem Auftritt an Hachenburgs Zentraltankstelle wußten jetzt wenigstens ALLE aus unserem Ort, daß es jetzt NOCH SO EINEN SPINNER mit einem alten Leichenwagen gibt. An meinen hatten sie ja bereits einige Monate lang gewöhnen können. Fein, dann war ja das Gesprächsthema in H-burg für die nächsten Tage gerettet.
21:30 Uhr. Wir waren soweit: Abfahrt nach Hagen. Wolfi und Tini im Welsch-Bastelbogen voran (man weiß ja nie, was vielleicht noch alles kaputt geht...), Tina und ich im - ebenfalls recht improvisierten - Rappold hinterher. Ab Iserlohn übernahm ich dann die Führung und mußte feststellen, daß Wolfi´s 1700er Maschine von eher sanftem Gemüt war: die Kiste kam überhaupt nicht aus dem Arsch!!! ("Leg´ den VORWÄRTSgang ein! Parken auf der Autobahn ist verboten!")
So gegen 0.00 Uhr trafen wir in Hagen ein. Auch dieses Mal hatte es sich wieder gelohnt. Gemütlicher Grillabend, zusammen mit den letzten Gleichgesinnten, die noch wach waren. Zur Feier des Tages und zur erfolgreichen Arbeit der vergangenen Wochen waren zwei Flaschen Rotwein mit im Gepäck. Spätere Übern8ung? Hotel Leichenheim, was sonst? Dank unserer Turbo-Aktion waren beide Autos im Sargraum sauber, gemütlich und bewohnbar. Zugeräumt mit Kissen und Matratzen sahen die Autos aus, als hätte ma sie für einen vitaleren Verwendungszweck in der Horizontalen geschaffen "Begattungswagen???"). Speziell mein dunkelroter Leichenwagen mit Velours-Luftmatratze in Wagenfarbe und roter Innenbeleuchtung sah geradezu einladend aus, sich ein bißchen Spritgeld dabeizuverdienen (Wolfi: "NIVEAUregulierung ganz absenken und anschaffen gehen..." Ingo: "Genau! Und auf die Scheiben "Befriedigungsinstitut" schreiben, was?"). Nach einer weiteren Flasche Rotwein (...) waren wir von dieser Geschäftsidee bereits wieder abgekommen. Wäre nicht schon der Verstand dagegen, würde einem spätestens die Pietät in die Quere kommen!
Am Sonntag Mittag wurde der Parkplatz brechend voll und wir so langsam wach. Viele Leute getroffen, viele Autos gesehen. Irgendwie waren wir aber wohl alle ein wenig in Trance, hatte die Nacht uns doch deutlich mitgenommen. Das Treffen war trotzdem klasse!
Am Abend ging´s wieder nach Hause. Aber erst: Einkehr mit beiden Leichen im örtlichen Mc Donald´s (Burger aus 90% Altpapier ohne größeren Nährwert ins Gesicht stecken). Kommt natürlich immer gut: Zwei Bestattungswagen, vier schwarzgekleidete, wasserstoffblonde Insassen und ein verunsichertes Publikum. Auch wenn es meistens nervt: wenn die Umstände stimmen, kann es manchmal ganz lustig sein, von 40 Menschen ungläubig angestarrt zu werden ("Aliens?" "Aliens!"). Aber Autogramme wollten sie noch keine. Aber, wir waren ja auch noch nicht fertig:
Völlig übermüdet, wie wir waren, hatte die American-Style-Mahlzeit genau den Effekt, der jetzt nicht unbedingt hätte sein müssen: KEINE LUST MEHR, WEITERZUFAHREN! Wolfi war durch die Nacht im zugigen Welsch-Sargraum ohnehin schon mehrfach gesundheitlich angeschlagen (Kreislauf, Schnupfen, Husten, Unlust, Myrrhe, Minze und Salbei, Gefrierbrand u.s.w.), so daß er es vorzog, sich erst mal ein paar Minuten hinzulegen. Wo sonst, wenn nicht im Sargraum!
Was geht wohl in Menschen vor, wenn sie vor einem Mc Donald´s-Restaurant zwei Leichenwagen stehen sehen; bei einem davon die Heckklappe offen und drei Menschen (Ihr wißt schon: wasserstoffblond, schwarz gekleidet) stehen dahinter und schauen auf einen leblosen (wasserstoffblonden, schwarzen...) Körper, umgeben von rotem und schwarzem Samt! Fassungslosigkeit pur!!! Als wir dann nach 15 Minuten bemerkten, daß wir wieder mal so ziemlich der Mittelpunkt allen Geschehens auf dem Parkplatz geworden waren, hielten wir es doch für besser, das Weite zu suchen. Wir haben es dann auch recht schnell gefunden!
Zum Schluß noch einen kleinen "Abstecher" durch Werdohl, weil Wolfi hier mal gearbeitet hat (immer schwarz gekleidet, manchmal mit Zylinder! Nicht Bestatter, sondern Schornsteinfeger!).
Danach: endlich heim! Autos abstellen, schlafen gehen! Es dauerte eine gute Woche, bis das wir uns wieder um unsere Autos kümmerten. Leider betraf dies auch meinen IMMER NOCH FAHRUNTAUGLICHEN C-Kadett Caravan! OK, Bremse wieder umbauen (David´s Rache!) und den Anlasser instandsetzen. Ja, und das war wohl bereits der Anfang vom Ende der neuen Leiche. Der Welsch-Rekord stand fortan viele Wochen lang auf dem Hof, ohne Bremse, ohne Zulassung, ohne rechten Verwendungszweck. Wir wußten ja, daß noch sehr viel Zeit und Arbeit investiert werden mußte, um die Kiste zulassen zu können. Gesprochen wurde oft darüber... aber richtige Lust??? Hätten die Nachbarn nach ein paar Monaten nicht begonnen, sich über die Kiste lautstark zu wundern (Der Anblick eines sterbenden Bestattungswagens ist für manche Gemüter auf Dauer einfach nicht zu verkraften), wäre der Wagen sicherlich doch irgendwann zugemoost worden.
Aber so begannen wir dann doch eines Tages mit einer erneuten Sichtprüfung. War da nicht was mit Schweißen? Der Jupp kann sowas doch. Also kontrollierten wir die typischen D-Rekord-Schwachstellen einmal genauer (ich kannte die meisten bereits, bin ich doch auch schon mit D-Rekorden umfangreich auf die Fresse gefallen). "A-Säulen?" "Schweißen!" "Schweller?" "Ja, fangen auch an." "Rahmenlängsträger?" "Auch matschig!" "Wagenheberaufnahme?" "Wo is´n die? Ich kann hier unten nix mehr erkennen, was nach Wagenheberaufnahme aussieht!" "Ja", dachte ich mir, "dann ist es wohl wirklich ein D-Rekord!" Der Arbeitsaufwand wurde in Minutenschnelle größer, proportional dazu die Lust verschwindend gering. Nach so 8 - 12 Beruhigungs-Zigarettchen ging´s dann an´s Eingemachte. "Unterboden unter dem Sargraum? Schließlich haben wir es mit einer Welsch-Konstruktion zu tun!" Bißchen mit einem Schraubenzieher gestochert, danach den Zimmermannshammer genommen, zu guter letzt den Vorschläger! Jawohl! Und schon hatten wir´s: durch den Krater im Unterboden hätte auch eine U-Bahn mit Dachgepäckträger und Gegenverkehr locker durchgepaßt!!!
Und damit bekam die Sache eine ganz andere Dimension, war es doch inzwischen einfacher, alle intakten Teile zu entfernen und den Rest seinen letzten Weg gehen zu lassen. Immerhin hatten wir auch bis dahin noch nicht alle Probleme entdeckt. Die Trauer um unser jüngstes Projekt transformierte sich in Windeseile zu Ausschreitungen übelsten Schlachtwahns ("Verbrennen wir ihn?" "Nein, wir sollten ihn teeren und federn!") Er war einfach nicht mehr sinnvoll zu retten!!! Und für das Geld, was man hätte investieren müssen, kann man auch 1 1/2 gute Leichen kaufen. Nochmal so eine finanzielle Explosion wie bei MEINEM Bestatter wollten wir uns echt nicht antun! Erst recht nicht bei einem Welsch!
In unnachahmlicher Choreographie demontierte Wolfi - der Master of Disaster - den Sargraumboden (Flex, Vorschlaghammer, rohe Gewalt) und gab so den ungehinderten Blick auf die Straße unter dem Auto frei. "Und damit sind wir bis nach Hagen und zurück gekommen???" Ich glaube, damals war das weniger der Mut als eher die Unkenntnis, die uns zu diesem Himmelfahrtskommando trieb. So rächt es sich, wenn die Kiste 32.000 km lang ´rumgestanden hat!
Scheiben ´raus, Sitze ´raus, Motorhaube ab, Kotflügel dranlassen ("Scheiße, die sind FESTGESCHWEISST!"). Motor? Wer braucht ´n 1700er? Keiner! Drinlassen, auch wenn er 1 A läuft!Naja, und die verbogene Sargschiene können wir wohl auch exekutieren. (Hätten wir Platz gehabt, hätten wir den Wagen vielleicht sogar behalten. Aber damals war das völlig indiskutabel).
In 5 Stunden war das Ding restlos seziert. Mit der einen oder anderen Fehlkonstruktion im Fahrzeug hatten wir unseren Heidenspaß (Ihr erinnert Euch: Schrauben, Nieten, Spachtel...), so daß man auch diesen Abend trotz Allem als gelungen bezeichnen kann.
Als die Autoverwertung die Leiche nach ein paar Tagen abgeholt hat ("Just buried...", nur der Blumenschmuck und die Blechdosen an der Stoßstange haben gefehlt!), war gottseidank keiner von uns beiden anwesend. War wohl auch besser, sich diesen Anblick zu ersparen! Schließlich war es ein Bestattungswagen, und davon abgesehen war es dieses Mal nicht MEINER...
Ja, und seitdem widmen wir uns meinen Leichenwagen, die inzwischen
eigentlich fast uns beiden gehören, wenn ich überlege, wieviel Zeit und
Arbeit Wolfi an diesen Dingern schon verbracht hat! Der nächsten Welsch, der
danach in unseren Fuhrpark kam, ist auch bereits wieder verkauft. Genauere
Details über dieses Drama seien hier höflichst verschwiegen!
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Letzter Update: 02 Januar 2011