WOLFIS NEUER MERCEDES BENZ - EIN GANZ BESONDERER WAGEN!
Leichenwagen? Wollte ich nie einen, wozu auch? meine Benze von 1975
sind doch viel schöner, Diesel, Limousine, man sieht nicht mehr viel
davon und sie sind auch urgemütlich.
Nicht nur weil man da drin reisen kann wie in einem Benz, ne, man muß
reisen weil rasen nicht geht..
Nachdem mir ein Benz neuerer Bauart über den Weg gelaufen war und ich
durch meinen Beruf recht wenig Zeit zum schrauben hatte, war das
Bastelfieber auch ziemlich verebbt, dennoch hab ich immer wieder den
lokalen Stammtisch der Schrauber besucht. Klar, war kein Ersatz fürs
schrauben, aber immerhin ein geselliges beisammensein mit
Gleichgesinnten.
Nach einer Oldtimerausstellung bei der die Jungs und Mädels mit dabei waren, hat mich dann einer der Jungs angehalten und mir erzählt, daß unser angesehenstes Bestattungsinstitut seinen Benz ausmustern will und ich den für kleines Geld an Land ziehen könnte.. Hmm, Leichenwagen? Ob das so gut kommt wenn Muttern die letzten anderthalb Jahre wegen Herzproblemen mehr auf der Intensiv gelegen hat wie sie zuahuse war? Da ich schnell handeln mußte, hab ich Vattern zur Seite genommen, ihn befragt ob man mit dem Bestatter überhaupt ein Geschäft machen sollte und 2 Tage später hab ich mir den Benz angesehen. Silber mit schwarzem Dach stand er halb von Laub bedeckt auf seinem Parkplatz, noch 4 Wochen TÜV dran und ziemlich traurig blickte er seinem Nachfolger, einem Volvo in die Scheinwerfer. Bissl Rost hier, bissl Rost da, insgesamt komplett, keine Dellen und der Lack auch noch zu retten. Trotz dem nahenden Sommer noch Winterreifen drauf und der Funk war auch noch drin. Hinten klebt ein Aufkleber, Pollmann-Karosserie. Bei genauerer Betrachtung wurde mir klar, daß das Fahrgestell länger war als bei den üblichen Kombi der Baureihe W123. Aus den Papieren konnte ich auch schnell erkenne, daß es sich um was besonderes handelt.. Langer Überhang, LKW-Zulassung, 230E mit 136PS und ein ziemlich hohes Leergewicht. 18 Jahre alt und Erstbesitz. Das hat schon gelockt, als ich dann den Motor angeworfen und mir dann den Sargraum angekuckt hab war die Entscheidung eigentlich schon gefallen. Lag jetzt nur noch am Verhandlungsgeschick.
Meinen
Alltagsbenz hatte ich weit weg geparkt, damit konnte ich dem
Noch-Besitzer ohne größere Probleme mit gelangweilter Miene klar machen,
daß diese Baureihe mich nicht großartig reizt. Hier nen Mangel, dort
größere Durchrostungen usw.. Ahh, der Benz wandert in den Schredder wenn
er bis zum Ablauf vom Tüv keinen neuen Besitzer gefunden hat. Tja, da
hab ich dann mal 500 Mark in den Raum gestellt. Das erschien mir anhand
vom Zustand des Wagens und allein schon wegen dem Aufbau angemessen.
Nach einigem hin und Her wurde dann bei 700 Mark der Handschlag
getätigt, 2 Tage später stand das Auto in meiner Stammwerkstatt und
sollte abgemeldet werden.
Mangels TÜV war das Auto damit erstmal aus dem Verkehr und somit auch
kein größeres Loch in meinem Geldbeutel. Doch ein Wunder: der
TÜV-Stempel im Schein und der TÜV-Stempel auf dem Nummernschild zeigten
verschiedene Monate an, ha, tags drauf war der Benz wieder zugelassen
und ich konnte noch weitere 8 Wochen damit fahren.
Fahren, hmm, Problem! Ich mußte das Auto ja dann mit nach Hause nehmen,
aber da wußte außer Papi niemand Bescheid. Nach langem Hin und Her hab
ich dann doch einfach den Benz mitgenommen und abends vors Haus
gestellt, Muttern mitgenommen und zu ihr gesagt, komm, wir gucken uns
mein neues Auto an. Was, der Junge hat ein neues Auto, helles Entsetzen!
WWAAAASS ??? DAS IST DOCH DAS AUTO VOM BESTATTER
Am nächsten Morgen bin ich dann mit meinem Alltagsbenz in Richtung
Arbeit los, die Leiche stand natürlich immer noch bei uns vor der
Haustür.
Klar hat die Nachbarschaft das Auto bemerkt und dann die Nachbarschaft
in der Straße angerufen, es mußte die Nachricht ja weiterverbreitet
werden. Als nach 4 Stunden das Auto aber immer noch da stand, war das
der Nachbarschaft ja gar nicht mehr geheuer und alle haben sich auf die
Lauer gelegt.
Gegen 16 Uhr war dann Entwarnung angesagt, Muttern wurde bei uns
gesichtet, und die Nachbarschaft konnte ihrer Erleichterung Luft machen.
Als ich dann gegen 19 Uhr zuhause angekommen bin, hat mich Muttern
gleich mit den Worten empfangen: "Bub, hast du gewußt, daß der Mann von
Frau ***** damals mit deinem Auto abgeholt wurde ??" Klack. Mir ist
erstmal die Kinnlade runtergefallen. Klar, stimmt ja, und der Mann 2
Häuser oberhalb auch.
Nun wohn ich hier in einem katholischen Dorf mit ein paar tausend
Seelen, das Auto parkt wegen Zeitmangel und diversen technischen
Kleinigkeiten meistens auf dem Firmenparkplatz und mein Vermieter meint
immer noch, ich solle den Wagen doch umlackieren, allein schon wegen der
Nachbarschaft. Nachbarschaft. Hmm, das sind doch die, die mir einen
Zettel in den Briefkasten geworfen haben, es sei doch eine
Unverschämtheit meinen "Leichentransportwagen" in ihrer Straße zu
parken. Ich bin ja gern bereit über Probleme die man mit dem Wagen (man
verbindet ja doch meist nur Trauer mit dem Auto) hat zu reden, aber bei
anonymen Briefen stellen sich mir die Nackenhaare.
Kurz vor Weichnachten hat mich mein Vermieter doch gebeten den Wagen
wegzustellen, der Bitte bin ich auch prompt nachgekommen, man muß halt
nur offen drüber reden.
Trotz aller zwischenmenschlichen und finanziellen Widrigkeiten bin ich
dauerhaft bestrebt das Auto zu halten, zu pflegen und sobald wie möglich
auf meine bereits vorhandene Oldtimernummer umzumelden. Auf eins kann
ich mich dabei verlassen: meine Schrauberfreunde und auch meine
Lebensgefährtin werden mich unterstützen und meine Freunde mit mir
teilen.
Wolfi, Rülzheim, 30.1.01
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Letzter Update: 02 Januar 2011
Owehh, da hab ich wirklich was angestellt!
Obwohl. Die Leute sollten doch eigentlich glücklich sein, wenn das Auto
durch meine Schrauberei erhalten wird, statt daß es gen Süden verkauft
wird und dort als Viehtransporter, Waffenlager oder ähnliches mißbraucht
wird. Nach ein paar Nachforschungen hat sich auch schnell rausgestellt,
daß sogar eine meiner Tanten in diesem Auto zur Ruhe geleitet wurde, von
den letzten 2 Oberbürgermeistern meiner Stadt reden wir ja eh nicht.
Nun denn, am Wochenende drauf wurde das Auto einer gründlichen Prüfung
unterzogen, Radstand gemessen, Kofferraum vermessen, Umbau in allen
erdenklichen Formen begutachtet. Und siehe da, definitiv kein Auto von
der Stange! Fahrgestell stammt von einem W123 T-Modell, die Türen von
der Limousine, Heckblech wurde ein 2tes im Abstand von ca 20cm
angebracht, die Heckklappe ist ganz speziell und die Sargraumbeleuchtung
soll vom 1954er VW-Bus stammen.
15 Zoll Räder waren damals auch nur auf Sonderbestellung erhältlich, den
Rost gabs leider gratis mit dazu. Aber dennoch, das Auto hat was
besonderes.. Nicht nur, daß ich immer wieder gefragt wurde ob ich dort
arbeite, auch das Flair des umgebauten Amaturenbretts, der Kopfstützen
an der Trennwand und die stilvolle Erscheinung auf dem Parkplatz
sprachen für sich.
Aber es hat auch was praktisches, durch das hohe Dach und die große
Heckklappe war es ein leichtes mit dem Auto meine neue Waschmaschine,
Kühlschrank und den Eisschrank zu transportieren. Ich war so nebenbei
grad dabei umzuziehen und da kam mir das gerade recht.
Logisch hab ich aufgepaßt daß der Ausstattung im Sargraum nicht
passiert, ebenso hab ich mich bemüht nicht zu rasen, sondern stilvoll
über die Bundesstraße zu gleiten. Man fährt ja schließlich einen
Leichenwagen.
Seither steht meine Leiche in der Firma auf dem Parkplatz, ziemlich
ausgebeint derzeit, man muß doch einiges zerlegen um den Rost in allen
Ecken bekämpfen zu können. Die Undichtigkeiten im Fahrerraum müssen
beseitigt werden und dann gehts an den Austausch der ausgeblichenen
Vorhänge, Reparatur des defekten Niveaulifts, Austausch der mit
Sekundenkleber (Danke unbekannter Nachbar) versifften Schlösser und den
vielen anderen Kleinigkeiten, die das Auto von einem alten Benz und
einem Liebhaberstück trennen.